

Genre: Thriller
Kurzbeschreibung:
Tom Hagen, gefeierter Star unter den Krisenberichterstattern, ist nicht zimperlich, wenn es um eine gute Story geht. Die Länder des Nahen Ostens sind sein Spezialgebiet, seine Reportagen Berichte aus der Hölle. Doch in Afghanistan verlässt ihn sein Glück. Hagens Ruf ist ruiniert, verzweifelt kämpft er um sein Comeback. Drei Jahre später bietet sich die Gelegenheit in Tel Aviv, als ihm Daten des israelischen Inlandsgeheimdienstes zugespielt werden. Hagen ergreift die Chance – und setzt ungewollt eine tödliche Kettenreaktion in Gang … »Breaking News« ist ein mitreißender Thriller vor dem Hintergrund einer epischen Saga. Zwei Familien wandern Ende der Zwanzigerjahre nach Palästina ein – in eine von Legenden, Kämpfen und Hoffnungen beherrschte neue Welt, wo Juden, Araber und britische Kolonialherren erbittert um die Vorherrschaft ringen. Bis in die Gegenwart, über Generationen hinweg, spiegeln und prägen beide Familien Israels atemlose Entwicklung. Als Hagen in der jungen Ärztin Yael Kahn eine unerwartete Verbündete findet, erkennt er, dass auch sein Schicksal eng mit der Geschichte des Landes verbunden ist. Doch mit Yael an seiner Seite gehen die Probleme erst richtig los.
Meine Einschätzung:
Herr Schätzing!!!!
Was sollte das denn werden?
DER Israel-Roman des 21. Jahrhunderts?
Arial Sharons Biographie?
Ein jüdischer Familienroman?
Ein rasanter Thriller mit einem investigativen Journalisten in der Hauptrolle?
Auch wenn man 961 Seiten zur Verfügung hat, DAS kann nicht funktionieren!!!!!
In seinem Roman begleitet er zwei jüdische Familien von ihrer Einwanderung in den 30iger Jahren bis in die heutige Zeit. Allein diese Geschichten hätten doch locker ausgereicht, um ein wunderbares Buch zu schreiben! Leider bleibt der Autor aber nicht bei den beiden Familien. Ihre durchaus berührenden, tragischen Geschichten werden nur in kurzen Kapiteln, immer wieder unterbrochen durch den „Thriller-Teil“ und „Sharon-Teil“, erzählt und aus diesem Grund bekommt auch keine Figur die notwenige Tiefe. Manchmal vergehen Jahre und der Tod einer ehemaligen Hauptfigur wird nur im Nebensatz erwähnt. Das ist lieblos und sehr schade, denn alle Charaktere hätten es verdient, hinreichend beschrieben und gewürdigt zu werden!
Einen großen Teil des Buches hat er Ariel Sharon gewidmet, seiner Jugend, seinen militärischen Strategien und seiner wechselvollen Karriere als Politiker. Ich fand diesen Teil hochinteressant, weil sich mein Wissen über diesen Mann auf die kurzen Meldungen in den Nachrichten beschränkt hat. Meiner Empfindung nach nimmt dieser Teil etwa die Hälfte des Romans ein (= 450 Seiten) und wäre doch eine prima Biographie geworden, oder nicht? So aber mußte ich mich ganz schön anstrengen, damit ich halbwegs die komplexen politischen und strategischen Entscheidungen des Mannes nachvollziehen konnte und um gleichzeitig an der Geschichte dran zu bleiben.
Der Thriller-Teil beginnt in Afghanistan und hier zeigt Herr Schätzing, was er kann (und ich dachte: Boah, wie toll! Wenn das soooo weitergeht …). Er schildert das Leben der deutschen Soldaten, die Stimmung, die Ängste sehr anschaulich, transportiert durchaus seine eigene politische Meinung zu diesem Thema und natürlich wird es auch spannend! Mir war zwar die Hauptfigur Hagen von Beginn an total unsympathisch, aber ich hätte mir ja ein jüdischen Familienmitglied als Identifikationsfigur aussuchen können, wenn der Autor sie denn dazu ausgebaut hätte. *grummel*
Dann aber verliert sich der Thriller-Aspekt zwischen Ariel Sharon, der israelischen Siedlungspolitik und den beiden jüdischen Familiengeschichten. Wenn ich jetzt mal alle anderen Teile ausblende, dann hätte Schätzing einen klassischen, spannenden Thriller schreiben können. Es gibt rivalisierende Geheimdienste, Maulwürfe, Geheimnisverräter, Folter, Mord, Lüge, zwielichtige Journalisten etc.
So aber verliert sich der Thriller-Anteil zwischen den anderen Teilen und wird seiner Spannung beraubt.
Ich fand es ungeheuer anstrengend, mich immer wieder in diesem Epos zurechtfinden zu müssen. Es gibt eine riesige Anzahl von Protagonisten, die europäische, hebräische und arabische Namen tragen und es war für mich schwer, den Überblick über das ganze Personal zu behalten. Hinzu kommt, dass er kapitelweise in den Zeiten springt. Zu Beginn konnte ich die Abschnitte noch ganz gut auseinanderhalten, aber je mehr sich die Zeiten annähern, desto schwieriger wird das und außerdem streut er noch Rückblicke einzelner Personen ein. Uff.
Der Schreibstil des Autors hat auch nicht gerade zur Entspannung beigetragen, da er zum Teil nur kurze, abgehackte Sätze im Telegrammstil verwendet. Das hat zwar oft zur Situation gepaßt, wenn z.B. Agenten in unbekanntes Gelände stürmten, ist aber mühsam zu lesen.
Andererseits gibt es aber auch ganze Passagen in diesem Werk, die ich unglaublich interessant fand, z.B. wenn es um Israels Landwirtschaft, das Bewässerungsmanagement, die Siedlungspolitik und Urils Zeit in der Armee geht.
Ich habe auch jede Menge über Israels Geschichte gelernt, über Ereignisse, wie den Jom-Kippur-Krieg, von denen ich natürlich schon gehört, die ich aber nicht unbedingt richtig einordnen konnte, über die unrühmlich Rolle der Briten, …
Der Autor hat es außerdem geschafft, mir ins Bewußtsein zu rufen, daß es nicht DEN Israeli gibt, sondern dass es sich um ein Volk mit den unterschiedlichsten religiösen und politischen Meinungen und Identitäten handelt, das zutiefst zerstritten und kaum regierbar ist. Und das gilt ja eigentlich auch für die gesamte arabische Nachbarschaft. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wie dort jemals Frieden einkehren soll.
Mich läßt „Breaking News“ jedenfalls unzufrieden und erschöpft zurück. Der große Wurf ist dem Autor meiner Meinung nach nicht gelungen, weil er versucht, zu viel in dieses Buch hineinzupacken. Manchmal ist eben doch weniger mehr…
Mein Fazit:
„Breaking News“ ist ein anstrengendes, langatmiges, aber auch informationsreiches Epos über Israel. Man braucht auf jeden Fall Interesse am Thema, Zeit und Geduld.