Genre: (Regional)Krimi
Kurzbeschreibung:
Ulf Reitmeyer, Leiter eines großen Biobetriebes in der Wetterau, bricht auf offener Straße zusammen. Zunächst deutet alles auf plötzlichen Herzstillstand hin. Doch dann taucht eine zweite Leiche auf – ausgerechnet ein Mitarbeiter Reitmeyers. Höchste Zeit, Rechtsmedizin und Kripo einzuschalten. Kommissarin Sabine Kaufmann, die sich erst vor kurzem vom Frankfurter K11 in die hessische Provinz versetzen ließ, übernimmt den mehr als merkwürdigen Fall. Und wird nicht nur mit einem perfiden Täter, sondern auch mit dem feindseligen Kollegen Angersbach konfrontiert.
Meine Einschätzung:
Ein Krimi, der in unmittelbarer Nähe meines Wohnortes liegt, dessen Schauplätze ich bestens aus eigener Anschauung kenne, wie cool ist das denn, dachte ich!
Die Strecken, die die Ermittler fahren, den ungefähren Wohnort von Sabine Kaufmann auf dem Heilsberg, die Lage der Polizeistation, die Fundorte der Leichen, diese Orte kenne ich ganz genau und das ist natürlich beim Lesen äußerst reizvoll.
Aber – Ihr ahnt es schon – das alleine reicht natürlich nicht aus, um mich in Begeisterungsstürme ausbrechen zu lassen.
Ich habe mich leider, leider streckenweise mit Daniel Holbes Krimi gelangweilt und mit den beiden Hauptfiguren Ralph und Sabine bin ich auch nicht warm geworden.
Sabine hat sich von Frankfurt nach Bad Vilbel versetzen lassen, um ihre Mutter besser betreuen zu können. Das konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, denn ihr vorheriger Wohnort in Heddernheim ist nur 15 Auto-Fahrminuten von Bad Vilbel entfernt und es ist auch nicht so, dass sie ihre Mutter täglich besucht (sie sieht sie während der gesamten Ermittlungszeit nicht ein einziges Mal!). Außerdem vermittelt der Autor den Eindruck, dass eine Frankfurterin in Bad Vilbel als exotische Städterin eingestuft wird, was nach meinen Erfahrungen absoluter Blödsinn ist. Vilbel ist so nah an Frankfurt dran, dass solche Animositäten für mich unglaubwürdig sind, zumal die „Vilblerin“ bekannt dafür ist, sich chic zu kleiden 😉 und deshalb würde Sabine dort überhaupt nicht auffallen. Sabine schleppt zwei große Probleme mit sich herum, nämlich ihre psychisch kranke Mutter, um die sie sich kümmern möchte und sie muß den Tod eines Kollegen verarbeiten. Hach, da sollte ich wahrscheinlich mitfühlender sein, aber irgendwie hat mich ihr „Schicksal“ nicht recht berührt.
Sehr irritierend fand ich den Auftritt ihres Lebensgefährten, der für ein Wochenende auftaucht, aber ich muß überlesen haben, wann und wie sich die beiden verabschiedet haben, zumal da eine wichtige Beziehungsfrage im Raum stand. Das mag ja im Folgeband noch geklärt werden, hat mich aber gestört.
Ralph, Vegetarier, ehemaliges Pflegekind, Karohemdträger und plötzlicher großer Bruder eines verunsicherten Teenagers ist ein ganz netter Typ und war mir deutlich sympathischer als Sabine.
Die Kappeleien der beiden fand ich konstruiert (sie = Elektroauto, er = oller Lada; sie = einfühlsam und nett, er = fällt immer mit der Tür ins Haus), fad und unlustig.
Die Verdächtigen und allen voran die Tochter des ersten Mordopfers, der grobschlächtige „Knecht“, der geniale Wissenschaftler, das Ökopärchen (klar, das die rote Haare hatte, oder?) kamen mir zu sehr aus der Schublade.
Die Auflösung des Falles hat mir zu lange gedauert, vor allem, weil der aufmerksame Leser vom Autor gleich zu Beginn (teilweise) eingeweiht wird und deshalb konnte ich kaum glauben, dass die Ermittlungen so lange in alle (un)möglichen Richtung liefen. Die Erpressungsgeschichte fand ich außerdem komplett überflüssig.
Natürlich gab es auch ein paar ganz nette Szenen, z.B. die Schilderung der Begegnung mit der blinden Zeugin oder die teenagermäßen Ausraster von Ralphs Schwester Janine.
Sprachlich ist der Krimi sicher nicht brilliant, läßt sich aber ganz angenehm lesen.
(Da hatte ich einige Bedenken, weil der Autor die Krimireihe von Andreas Franz fortsetzt und wahrscheinlich da auch dessen Stil übernimmt, den ich persönlich nicht ausstehen kann, weil er so vulgär ist.)
Werde ich den nächsten Teil dieser Reihe lesen? Ja, weil ich gespannt bin, wen man in Vilbel noch so alles umbringen könnte (mein Vorschlag wäre ein Immobilienhai und/oder einen Kommunalpolitiker :-)) und der Autor kann sich ja auf jeden Fall noch steigern.
Mein Fazit:
Dieser Krimi, der in meiner unmittelbaren Nachbarschaft spielt, hat mich stellenweise gelangweilt und die Figuren konnten mich nicht ganz überzeugen. Da hat der Autor aber sicher noch Verbesserungspotential und deshalb wird er eine zweite Chance bekommen ;-).
PS: Meinem Mann ist sofort ein Recherchefehler aufgefallen. Den geschildert Lada von Ralph gibt es nur als Benziner, es sei denn, er hätte ihn aus Russland direkt importiert :-).